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(8) A s t a u n d i h r S c h i c k s a l ( Ve r s i o n 3 - f . B r a n d l o c h )

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 11. März
  • 19 Min. Lesezeit


…Klassenzimmer. Es klingelt zur Pause. Kinder stürmen lärmend hinaus,

drängeln zur Aula. Anni und Asta gehen nebeneinander den Gang entlang - sie

sind, wie man so sagt, beste Freundinnen. Asta kann gar nicht zuhören, muß

unentwegt Anni‘s Patchworkhemd anschauen, ist verzaubert, sie sieht es heute

zum ersten Mal an ihr. Fasziniert von der Ungewöhnlichkeit des Entwurfs, ist sie

gleichzeitig verwirrt über die heftige Anziehung, die dieses Hemd auf sie ausübt:

Ein Wiedererkennen! Erinnern! Asta hat so etwas noch nie erlebt!

…als erinnert sie sich… erinnert sich… an was…?

Anni plappert neben ihr eine fröhliche Melodie und zählt ihre seltsamen

Geburtstagsgeschenke auf:

»…und dann habe ich noch eine Bürste zum Striegeln bekommen und Huffett

… weißt du, das ist ein ganz spezielles Fett, damit die Hufe nicht spröde werden,

sondern schön glänzen…«

Anni, die Pferdenärrin, blüht auf, wenn es um Pferde geht. Abrupt hält sie jetzt

inne, bleibt stehen, mustert die Freundin.

»Was ist los mit dir? Hörst du eigentlich zu?«

Asta ganz im Bann des Patchworkhemds, hat sich nicht mehr unter Kontrolle.

Ihr Blick, ein unbeirrter Strahl, zielt mit beängstigender Direktheit ins Gegenüber

und mit einer Stimme, als spreche sie zu einer Erscheinung, fragt sie:

»Woher hast du dieses Hemd?«

Anni lacht irritiert, und gleichzeitig erleichtert.

»Ach das Hemd! Das habe ich auch zum Geburtstag bekommen, von meiner

großen Schwester, sie hat es selbst genäht!«

Stumm vor Staunen wächst Asta am Boden fest. Da hat jemand, den sie nicht

einmal kennt, ein Hemd genäht, das nun wie mit einer geheimen Sprache in sie

hinein üstert: »…!«

Sie versteht das Flüstern nicht, fühlt es mehr innerlich, dort, wo Etwas wieder

erkannt worden war… wo Etwas sich erinnert…

Den Mund halb offen, die Augen groß, starrt sie das Geburtstagshemd an.

Anni wird es beinahe unheimlich, das Verhalten der Freundin befremdet sie.

»Was hast du denn?« Sie lacht, verunsichert, nervös.

Asta braucht Zeit, bis sie etwas sagen kann. Stotternd ringt sie um Worte:

»Ich…« die Stimme versagt ihr nicht, aber die Worte kommen nicht in Form, »…

ich… ich habe so etwas noch nie gesehen!«

»Na klar hast du sowas noch nie gesehen! Das gibt es ja auch nur einmal, wenn

es meine Schwester genäht hat!«


Anni‘s lapidare Antwort klingt wie Verrat. Ungerührt geht sie weiter.

Asta folgt ihr.

»Ja ja schon, aber…« sie überlegt, beeilt sich, gerät verstummend ins Schwitzen.

Wie soll sie in Worte gießen, was sie fühlt?

»…weißt du,« beginnt sie einen neuen Versuch, »wie die verschiedenen Muster

zusammengesetzt sind und dann die zwei Knöpfe unter dem Kragen…«, sie nimmt

jetzt ihre beiden Hände dazu, als wüßten die besser über Gefühle zu sprechen,

»Alles ist anders! Und trotzdem ist es ein Hemd!«

Anni schaut sie verdutzt an. Was sind das für Anwandlungen? Diese glühenden

Augen, dieses verklärte Gesicht! Gewiß, ihre Schulfreundin wird gelegentlich von

mysteriösen Stimmungen befallen, dann gibt sie merkwürdige Sachen von sich, die

sie nicht deuten kann. Es ihr zu sagen, will sie nicht denken, und diagnostiziert

Asta‘s Reaktion für Spinnerei. Sie ndet das einfach lächerlich, übertrieben…

Das Seltsame ist diesmal nur, daß Anni andauernd an ihre große Schwester

denken muß. Die hat auch diesen Hang zum Dramatisieren! Sie denkt es, schüttelt

sich innerlich, als hätte sie ein Ungeheuer gegessen. Übertreibungen, und dann

diese Euphorie sind ihr nicht geheuer. Darauf hat sie schon immer allergisch

reagiert. Ein erster Impuls rettet sie stets hinter die undurchlässige Schutzwand aus

Ignoranz. Und dann: Ganz schnell die Flucht ergreifen! Sie mag keine

Komplikationen, das Leben soll friedlich und unkompliziert sein! Einfach nur

schön. Von einer heilen Welt träumt sie, seit sie denken kann, und spürt instinktiv

den Feind ihrer Vision: sich in unergründliche Tiefen hinein bohren!

Als Jüngste hat auch sie ein Recht auf eine eigene Perspektive! - die sie

dringlicher verteidigt, als sie müßte. Daß ihre große Schwester in alles, was ihr

widerfährt, was sie tut, was sie sieht, Abgründe und Himmel hineindeutelt,

verurteilt sie kurzerhand, nennt es überspannt. Außen sieht man es ihr fast nicht

an, sie ist so ein nettes Mädel. In diesem Punkt bleibt sie unbestechlich, auch ohne

Gewissensbisse verständnislos. Aus ihrer Sicht liegt darin lediglich ein

menschlicher Betrug, dem Leben einen tieferen Sinn anzudichten - für Anni alles

Hirngespinste.

Mit jedem Atemzug wird sie größer - solcher Art Gedanken sind unbehaglich, es

interessiert sie nicht nachzuforschen, warum. Bedrohungen machen aus ihr Stahl.

Etwas zu heftig schüttelt sie den Kopf, damit die lästigen Geister aus ihrem dicken

Haar fallen, und bemüht sich, unbeschwert zu lachen.

Asta erschrickt. Auf ihre Weise empfänglich und in anderer Weise ängstlich,

nimmt sie in den Augen der Freundin ein kaltes Blitzen wahr, Abfälligkeit! Sie

schluckt, sagt nichts. Es gibt Dinge, die sie Anni nicht erklären kann - sie denkt

anders, fühlt anders, sieht die Welt eben mit anderem Blick. Aber darin ist sie ja

keine Ausnahme. Asta ist die Ausnahme! Wer versteht schon, was in ihr

vorsichgeht? Und sie kann die richtigen Worte nicht nden…


Als sie an jenem Tag nach der Schule heimkommt, eröffnet sie sogleich der

vielbeschäftigten Mutter ihre neueste Erkenntnis:

»Mama, die Anni hat eine große Schwester, die ist mein Schicksal!«

»Was?« Die Mutter, völlig unvorbereitet, reißt es regelrecht herum. Fassungslos

starrt sie ihr Kind an. Ungewöhnliche Gedankenvorgänge und Aussagen ihrer

Jüngsten ist sie zwar gewöhnt, aber das hier erscheint ihr doch ein wenig

beunruhigend.

»Weißt du denn überhaupt, was das Schicksal ist?« fragt sie und in ihrem Tonfall

schwingt bereits der Beschluß, daß ein so komplizierter Begriff nichts für kleine

Kinder ist.

Das Kind überspringt die Betulichkeit der Mutter, wie jemand, der sich nicht

von Nebensächlichkeiten aufhalten läßt.

»Mama, ich habe heute mein Schicksal gesehen!« sagt Asta mit fester Stimme,

der besorgte Blick der Mutter kann sie nicht beirren.

»Die Anni hat heute ihr Geburtstagshemd angehabt,« fährt sie fort und spricht

jetzt wieder mit beiden Händen, »stell dir vor, ihre große Schwester hat es selber

genäht … und plötzlich hab ich gewußt: Das ist mein Schicksal!«

Die Mutter inzwischen auf einen Stuhl gesunken, folgt der seltsamen Rede ihrer

Tochter. Sie hat noch zwei ältere Söhne, aber dieses Kind ist ihr ein Rätsel. Daß es

mit besonderen Gaben bestückt sein könnte, kommt ihr nicht in den Sinn. Für sie

existieren keine Zwischenwelten! Und diejenigen, die davon reden, stellt sie im

Geiste zu den Verrückten hin, hat Mitleid mit den bedauernswerten Geschöpfen.

Ungeachtet dessen, daß sich das Kind gerade abmüht, sein Schicksal zu

erläutern, steht die Mutter mit einem Ruck auf und stählt jede Zelle mit dem

altvertrauten Vorsatz: Dieses Kind besitzt halt zu viel Phantasie, am besten man

nimmt diese Flausen nicht ernst!

Das Essen auf dem Herd beansprucht nun ihre gesamte Aufmerksamkeit. Asta

redet an ihren Rücken hin:

»Mama, es war, wie ich es sage. Auf einmal hab ich es ganz genau gewußt: Das

ist mein Schicksal!«

»Ja, mein Schatz! Komm jetzt zum Essen!« Die Mutter schlägt einen süßen Ton

an, sagt es ohne sich dabei umzudrehen.

Und längst in der Welt der Kochtöpfe untergetaucht, kann sie nicht ahnen, daß

sie die Worte ihres Kindes niemals vergessen wird.


(8) A s t a u n d i h r S c h i c k s a l

( Ve r s i o n 1 )


Ich weiß, in der Welt der Menschen liegt die Einsicht fern, mit Nähmaschinen

könne man reden, oder Nähmaschinen könnten Geschichten erzählen. Wer

dennoch wider aller Menschendressur solcherlei Gedanken spürt, sie gar in Worte

zu bringen sucht und mit glühenden Augen in fremde Ohren singt, den hält man

gewöhnlich für naiv, verrückt, geistesgestört. Daß all die anderen Wesen und Dinge

außerhalb eines Menschenlebens miteinander in Verbindung stehen, weil sie dazu

fähig sind und nicht allein wegen der gemeinsamen Sprache, sondern auch willens!

Diese Vorstellung paßt so gar nicht in ein Menschengehirn. Daß sich zum Beispiel

die Nähmaschine mit dem Tisch unterhält, auf dem sie steht, der Tisch widerum

alles von den Dingen erfährt, die in seiner Schublade sind, und die Dinge in der

Schublade, irgendwann einmal von Menschenhänden dahinein gelegt, berichten

dem Holz, woher sie gekommen sind, was sie dort draußen erlebt, was die Hände

ihnen gesagt haben, die sie berührten… und so weiter. Die Menschen bekommen

diese Gespräche nicht mit, sie sprechen unsere Sprache nicht. Kennen nicht einmal

eine gemeinsame Menschheitssprache!

Oft haben wir uns gefragt, woran es liegen mag, dumm sind die Menschen ja

nicht. Aber was dann? Sie merken einfach nicht, daß wir alle, die nicht zu ihnen

gehören, trotzdem sehr wohl informiert sind. Ein Netz aus lauter Stimmen spannt

sich - von den Menschen ungeshen und ungehört - rund um den Globus und

verbindet uns alle miteinander. Ich habe viel über die Welt erfahren, seit ich aus der

Kiste bin. Und nicht nur in der Ferne, auch ganz nah und tief geht unser Blick, wo

wir in Berührung kommen. So hat mir Anni‘s Geburtstagshemd erzählt, was sich in

der Schule zugetragen hatte, und dann, nur wenige Tage später, setzten Asta‘s

Finger, die ehrfürchtig über meinen Körper strichen, die Geschichte fort…

Paulynn hatte mit etwas zu viel Schwung Anni‘s Geburtstagshemd auf den

Tisch geworfen, dabei war ein Ärmel direkt neben meinem Füßchen gelandet.

Paulynn ärgerte sich über ihre jüngste Schwester. Da nähte sie ihr mit viel Mühe ein

ausgefallenes Hemd zum Geburtstag und dann hatte sie es ein Mal angehabt und

schon Beschwerden! Jetzt sollte sie die Ärmel kürzen, weil Anni Hochkrempeln

nicht mag…

Und schon war Paulynn wieder verschwunden und hatte ihre Gedanken

mitgenommen. Aber das Geburtstagshemd lag neben mir auf dem Tisch und

berichtete mir ganz andere Sachen.

»Du, Puppenfee, hörst du mich oder schläfst du gerade?«

»Nein, nein, wie könnte ich jetzt schlafen, bei dieser Spannung in der Luft. Was

ist denn passiert!«


»Ach, das geht schon vorüber, das ist jetzt unwichtig. Du, stell dir vor, was ich

heute erfahren habe: Ich bin etwas ganz Besonderes…«

Ich kannte längst den Übermut der Kreationen, die Paulynn genäht hatte -

Jacken, Hosen, Hemden, Blusen, Röcke, Taschen, Gürtel, Handschuhe, Mützen,

H ü t e , Vo r h ä n g e , B e t t w ä s c h e , D e c k e n , K i s s e n , S o f a b e z ü g e ,

Jahrhundertwendekostüme, Steinzeitmode, Engels ügel, Babykleidung… Es gibt

nichts, was sie nicht schon einmal genäht hat. Und alle, sofern ich es noch zu hören

bekam, wie sie gelobt und bewundert werden, sind zunächst berauscht von ihrer

Großartigkeit. Freilich legt sich die Euphorie nach einer Weile und Ernüchterung

kehrt die Flausen davon.

Glücklicherweise war das Geburtstagshemd noch so klar bei Sinnen, daß ich

erfahren konnte, was sich am Vormittag in der Schule zugetragen hatte. Indessen

das Geburtstagshemd zu erzählen begann, sah ich deutlich die Bilder, die sich zu

Szenen zusammen fügten wie in einem Film, als sei ich selbst dabei gewesen…

…es klingelte zur Pause, Kinder stürmten lärmend hinaus, drängelten zur Aula.

Anni stand noch im Klassenzimmer und suchte in ihrem Schulranzen nach dem

Käsebrot. Ihre Freundin Asta wartete draußen und streckte ungeduldig ihren Kopf

zur Tür herein.

»Anni, wo bleibst du denn?«

»Ich kann mein Brot nicht nden!«

Asta ng an zu lachen, als hätte ihr jemand einen Witz erzählt.

»Was redest du! Dein Pausebrot hast du mir doch heute morgen auf dem

Schulweg gegeben, weil deine Schultasche so voll war!«

Anni kicherte, das hatte sie ganz vergessen.

Als sie nebeneinander den Gang zur Aula entlang gingen, starrte Asta

unentwegt auf Anni‘s Patchworkhemd, das sie heute zum ersten Mal trug. Asta

hatte so etwas noch nie gesehen! Fasziniert von der Ungewöhnlichkeit des

Entwurfs, war sie gleichzeitig verwirrt über die heftige Anziehung, die dieses

Hemd auf sie ausübte. Es war wie ein Wiedererkennen … als erinnerte sie sich…

erinnerte sich… an was…?

Anni plapperte neben ihr eine fröhliche Melodie und zählte ihre seltsamen

Geburtstagsgeschenke auf: »…und dann habe ich noch eine Bürste zum Striegeln

bekommen und Huffett … weißt du, das ist ein ganz spezielles Fett, damit die Hufe

nicht spröde werden und schön glänzen…«

Anni, die Pferdenärrin, blühte auf, wenn es um Pferde ging.

Jetzt hielt sie inne. Sie blieb stehen und musterte argwöhnisch ihre Freundin.

»Was ist mit dir los? Hörst du eigentlich zu?«

Asta ganz im Bann des Geburtstagshemds tauchte nur mit Verzögerung aus

ihrer Versunkenheit auf. Tief atmend stieß sie dann ihren Blick in beängstigender


Weise direkt in Anni‘s Augen und mit einer Stimme, als spreche sie zu einer

Erscheinung, fragte sie: »Woher hast du dieses Hemd?«

Anni lachte, verwundert, und gleichzeitig erleichtert. »Ach das Hemd! Das habe

ich auch zum Geburtstag bekommen, von meiner großen Schwester, sie hat es

selbst genäht!«

Asta, stumm vor Staunen, war am Boden festgewachsen. Da hatte jemand, den

sie nicht einmal kannte, ein Hemd genäht, das nun wie mit einer geheimen Sprache

in ihr Herz üsterte: »…!«

Sie verstand das Flüstern nicht, fühlte es mehr innerlich, dort, wo Etwas wieder

erkannt wurde… wo Etwas sich erinnerte…

Den Mund halb offen starrte sie mit großen Augen das Geburtstagshemd an.

Es war geradezu unheimlich, Anni befremdete das Verhalten der Freundin.

»Was hast du denn?«, sie lachte verunsichert.

Asta brauchte Zeit, bis sie etwas sagen konnte. Stotternd rang sie um Worte: «Ich

… ich… ich habe so etwas noch nie gesehen!»

»Na klar hast du sowas noch nie gesehen! Das gibt es ja auch nur einmal, wenn

es meine Schwester genäht hat!«

Anni‘s lapidare Antwort klang wie Verrat. Ungeduldig ging sie weiter.

Asta folgte ihr. »Ja ja schon, aber…« sie überlegte, beeilte sich, geriet

verstummend ins Schwitzen. Wie sollte sie in Worte fassen, was sie empfand? »…

weißt du,« begann sie einen neuen Versuch, »wie deine Schwester die

verschiedenen Muster zusammengesetzt hat und dann die zwei Knöpfe unter dem

Kragen…«, sie nahm ihre beiden Hände zu Hilfe, als könnten die mehr sagen,

»Alles ist anders! Und trotzdem ist es ein Hemd!«

Anni schaute sie verdutzt an. Was hatte ihre Schulfreundin bloß für

Anwandlungen? Diese glühenden Augen, dieses verklärte Gesicht! Es war ihr nicht

entgangen, daß Asta - gelegentlich von mysteriösen Stimmungen befallen -

merkwürdige Sachen von sich gab, die sie nicht deuten konnte. Es ihr zu sagen,

hätte sie zwar nicht gewagt, aber das kümmerte sie wenig, sie konnte mit

solcherart Äußerungen nichts anfangen. Asta‘s Reaktion hielt sie für übertrieben.

Für Spinnerei! Das Seltsame war diesmal jedoch, daß sie wie unter Zwang an ihre

große Schwester denken mußte. Die hat auch diesen Hang zum Dramatisieren! Sie

dachte es und schüttelte sich innerlich, wie um ein Ungeheuer abzuwerfen.

Anni verabscheute euphorische Übertreibungen, darauf reagierte sie allergisch.

Ihr erster Impuls schob sie hinter eine undurchlässige Wand aus Ignoranz. Und

dann: Ganz schnell die Flucht ergreifen! Komplikationen waren ihr zuwider, das

Leben sollte einfach und unkompliziert sein! Einfach nur schön… Von einer heilen

Welt träumte sie, und instinktiv spürte sie, die ließ sich bestimmt nicht

verwirklichen, indem man in unergründliche Tiefen hinab schweifte. Als Jüngste

hatte auch sie ein Recht auf eine eigene Perspektive - die sie dringlicher verteidigte,


als sie hätte müssen. Daß ihre große Schwester in alles, was ihr widerfuhr und was

sie tat, einen tieferen Sinn hineindeutelte, urteilte sie kurzerhand als überspannt ab.

In diesem Punkt blieb sie hartnäckig, und ohne Gewissensbisse verständnislos. Aus

ihrer Sicht lag darin lediglich der Betrug, dem Leben einen Sinn anzudichten - für

sie nur Hirngespinst.

Mit jedem Atemzug wurde Anni größer, als gelte es, sich einer Bedrohung zu

widersetzen. Gedanken solcher Art waren ihr unbehaglich. Es interessierte sie nicht

nachzuforschen, warum? Etwas zu heftig schüttelte sie den Kopf, so als ließen sich

damit unwillkommene Geister vertreiben, und bemühte sich, unbeschwert zu

lachen. Doch Asta, auf ihre Weise empfänglich und nicht gar so ängstlich, nahm im

Gesicht der Freundin eine Regung wahr: Abfälligkeit.

Sie erschrak, sagte nichts. Es gab Dinge, die sie Anni nicht erklären konnte.

Manches verstand sie halt nicht, sie dachte anders, fühlte anders, sah die Welt eben

mit anderen Augen. Aber darin war sie ja keine Ausnahme. Asta war eine

Ausnahme! Wer verstand schon, was in ihr vorging?

Das alles hat mir das Geburtstagshemd erzählt, während es neben meinem

Füßchen lag. Nur wenige Tage später lernte ich Asta kennen. Sie kam Anni

besuchen und wollte unbedingt die Nähmaschine der großen Schwester sehen.

Paulynn hätte sie natürlich auch gern gesehen, aber die war fast nie zu Hause.

Als die beiden das Zimmer betraten, blieb Asta verwundert stehen. Auch so ein

Zimmer hatte sie noch nie gesehen. Sie dachte: Hier sieht es aus wie in einem

Experimentierlabor! Sie sprach es nicht aus, stieg vorsichtig an den Stoffbergen auf

dem Boden vorbei, setzte sich auf den Stuhl vor dem Nähtisch und schaute mich

an.

»Puppenfee…!« las sie mit staunender Stimme und ließ ihre Finger über die

Wölbungen und Nischen meines Körpers gleiten. Von ihren Gedanken rührte ein

leichtes Zittern, hingegen ihre Hände fühlten mich und erzählten mir die

Fortsetzung der Geburtstagshemd-Geschichte.

…Als Asta an jenem Tag nach der Schule heimkam, eröffnete sie sogleich der

vielbeschäftigten Mutter ihre neueste Erkenntnis:

»Mama, die Anni hat eine große Schwester, die ist mein Schicksal!«

»Was?« Die Mutter, völlig unvorbereitet, riß es regelrecht herum und starrte ihr

Kind fassungslos an. Ungewöhnliche Gedankenvorgänge und Aussagen ihrer

Jüngsten war sie zwar gewöhnt, aber das hier erschien ihr doch ein wenig

beängstigend.

»Weißt du denn überhaupt, was das Schicksal ist?« fragte sie und in ihrem

Tonfall schwang bereits der Beschluß mit, daß ein so komplizierter Begriff nichts

für kleine Kinder ist.


Asta überging die Betulichkeit der Mutter wie jemand, der sich nicht mit

Nebensächlichkeiten aufhält.

»Mama, ich habe heute mein Schicksal gesehen!« sagte sie mit fester Stimme

und ließ sich von dem besorgten Blick der Mutter nicht beirren.

»Die Anni hat heute ihr Geburtstagshemd angehabt,« fuhr sie fort und sprach

jetzt wieder mit beiden Händen, »stell dir vor, ihre große Schwester hat es selber

genäht … und plötzlich hab ich gewußt: Das ist mein Schicksal!«

Die Mutter saß inzwischen auf einem Stuhl und folgte der seltsamen Rede ihrer

Tochter. Sie hatte noch zwei ältere Söhne, aber dieses Kind war ihr ein Rätsel. Daß

es mit besonderen Gaben bestückt sein könnte, kam ihr nicht in den Sinn. Für sie

existierten keine Zwischenwelten, und diejenigen, die davon redeten, stellte sie im

Geiste zu den Verrückten. Daß ihre Tochter zu jenen zählen könnte, würde sie

niemals zulassen, nicht mit einem Gedanken.

Ungeachtet dessen, daß das Kind gerade bemüht war, sein Schicksal zu erklären,

stand die Mutter mit einem Ruck auf und stählte jede Zelle mit dem Vorsatz, ihr

Kind ein Kind sein zu lassen, das ganz kindesgemäß zu viel Phantasie besitzt und

das man am besten nicht ernst nimmt. Das Essen auf dem Herd el ihr wieder ein,

sie sprang auf und lief zum Herd. Asta rief ihr hinterher: »Mama, es war wie ich es

sage. Auf einmal hab ich es ganz genau gewußt: Das ist mein Schicksal!«

»Ja, mein Schatz! Komm jetzt zum Essen!« antwortete die Mutter, ohne sich

dabei umzudrehen. Längst in der Welt der Kochtöpfe untergetaucht, konnte sie

nicht ahnen, daß sie die Worte ihres Kindes niemals vergessen sollte.


(8) A s t a u n d i h r S c h i c k s a l

( Ve r s i o n 2 - b e s t e f.Puppenfee?)


Ich weiß, die Welt der Menschen leidet an der Einfalt, mit Nähmaschinen könne

man nicht reden. Daß Nähmaschinen sogar Geschichten erzählen und sich mit

einem Menschen unterhalten können, mag der Mensch nicht denken. Wer dennoch

wider aller Menschendressur solcherlei Gedanken spürt, sie gar in Worte zu

bringen sucht und mit glühenden Augen in fremde Ohren hinein singt, den hält

man gewöhnlich für naiv, verrückt, geistesgestört. Doch ist es so: All die anderen

Wesen und Dinge außerhalb eines Menschenlebens stehen miteinander in

Verbindung, weil sie dazu fähig sind und nicht allein wegen der gemeinsamen

Sprache, sie sind auch willens! Solche Vorstellung paßt nicht in ein

Menschengehirn. Zum Beispiel spricht die Nähmaschine mit dem Tisch, auf dem

sie steht, der Tisch widerum erfährt die Neuigkeiten von den Dingen, die in seiner

Schublade sind, und die Dinge in der Schublade, irgendwann einmal von

Menschenhänden dahinein gelegt, berichten dem Holz, woher sie gekommen sind,

was sie dort draußen erlebt, was die Hände ihnen gesagt haben, die sie berührten…

und so weiter. Die Menschen bekommen diese Gespräche nicht mit, sind ganz auf

ihre Muttersprache getrimmt, unsere Sprache verstehen sie nicht. Sie kennen nicht

einmal eine gemeinsame Menschheitssprache!

Oft haben wir uns gefragt, woran es liegen mag, dumm sind die Menschen ja

nicht. Aber was ist es dann?

Ein Netz aus lauter Stimmen spannt sich rund um den Globus - von

menschlichen Augen und Ohren ungesehen und ungehört - sind wir miteinander

verbunden. Ich habe viel über die Welt erfahren, seit ich aus der Kiste bin. Und

nicht nur in der Ferne, auch ganz nah und tief geht unser Blick, wo wir in

Berührung kommen. So hat mir Anni‘s Geburtstagshemd etwas erzählt und dann,

nur wenige Tage später, setzten Asta‘s Finger die Geschichte fort.

Paulynn hatte Anni‘s Geburtstagshemd auf den Nähtisch geworfen, dabei war

ein Ärmel direkt neben meinem Füßchen gelandet. Paulynn ärgerte sich über ihre

jüngste Schwester. Da nähte sie ihr mit viel Mühe ein ausgefallenes Hemd zum

Geburtstag und dann hatte sie es ein Mal angehabt und schon Beschwerden! Jetzt

sollte sie die Ärmel kürzen, weil Anni Hochkrempeln nicht mag…

Paulynn war gleich wieder verschwunden und hatte ihre Gedanken

mitgenommen. Aber das Geburtstagshemd lag neben mir auf dem Tisch und ng

an zu üstern:

»Du, Puppenfee, hörst du mich oder schläfst du gerade?«

»Nein, nein, wie könnte ich jetzt schlafen, bei dieser Spannung in der Luft. Was

ist denn passiert!«


»Ach, das geht schon vorüber, das ist jetzt unwichtig. Du, stell dir vor, was ich

heute erfahren habe: Ich bin etwas ganz Besonderes…«

Ich kannte längst den Übermut der Kreationen, die Paulynn genäht hatte -

Jacken, Hosen, Hemden, Blusen, Röcke, Taschen, Gürtel, Handschuhe, Mützen,

H ü t e , Vo r h ä n g e , B e t t w ä s c h e , D e c k e n , K i s s e n , S o f a b e z ü g e ,

Jahrhundertwendekostüme, Steinzeitmode, Engels ügel, Babykleidung… Es gibt

nichts, was sie nicht schon einmal genäht hat. Und alle, sofern ich es noch zu hören

bekam, wie sie gelobt und bewundert werden, sind zunächst berauscht von ihrer

Großartigkeit. Freilich legt sich die Euphorie nach einer Weile und Ernüchterung

kehrt die Flausen aus.

Glücklicherweise war das Geburtstagshemd noch so klar bei Sinnen, daß ich

erfahren konnte, was sich am Vormittag in der Schule zugetragen hatte. Indessen

das Geburtstagshemd zu erzählen begann, sah ich die Bilder, die sich zu Szenen

zusammen fügten wie in einem Film, als sei ich selbst dabei gewesen…

…Klassenzimmer. Es klingelte zur Pause. Kinder stürmten lärmend hinaus,

drängelten zur Aula. Anni und Asta gingen nebeneinander den Gang entlang. Asta

mußte unentwegt Anni‘s Patchworkhemd anschauen, das sie heute zum ersten Mal

trug. Asta hatte so etwas noch nie gesehen! Fasziniert von der Ungewöhnlichkeit

des Entwurfs, war sie gleichzeitig verwirrt über die heftige Anziehung, die dieses

Hemd auf sie ausübte. Es war wie ein Wiedererkennen … als erinnerte sie sich…

erinnerte sich… an was…?

Anni plapperte neben ihr eine fröhliche Melodie und zählte ihre seltsamen

Geburtstagsgeschenke auf: »…und dann habe ich noch eine Bürste zum Striegeln

bekommen und Huffett … weißt du, das ist ein ganz spezielles Fett, damit die Hufe

nicht spröde werden und schön glänzen…«

Anni, die Pferdenärrin, blühte auf, wenn es um Pferde ging.

Jetzt hielt sie inne, blieb stehen, musterte argwöhnisch ihre Freundin.

»Was ist mit dir los? Hörst du eigentlich zu?«

Asta ganz im Bann des Patchworkhemds, zielte ihr Blick mit beängstigender

Direktheit in Anni‘s Augen und mit einer Stimme, als spreche sie zu einer

Erscheinung, fragte sie: »Woher hast du dieses Hemd?«

Anni lachte, verwundert, und gleichzeitig erleichtert. »Ach das Hemd! Das habe

ich auch zum Geburtstag bekommen, von meiner großen Schwester, sie hat es

selbst genäht!«

Asta, stumm vor Staunen, wuchs am Boden fest. Da hatte jemand, den sie nicht

einmal kannte, ein Hemd genäht, das nun wie mit einer geheimen Sprache in ihr

Herz üsterte: »…!«

Sie verstand das Flüstern nicht, fühlte es mehr innerlich, dort, wo Etwas wieder

erkannt wurde… wo Etwas sich erinnerte…

Den Mund halb offen, die Augen groß, starrte sie das Geburtstagshemd an.


Anni wurde es geradezu unheimlich, das Verhalten der Freundin befremdete

sie. »Was hast du denn?«, sie lachte verunsichert.

Asta brauchte Zeit, bis sie etwas sagen konnte. Stotternd rang sie um Worte: »Ich

… ich… ich habe so etwas noch nie gesehen!«

»Na klar hast du sowas noch nie gesehen! Das gibt es ja auch nur einmal, wenn

es meine Schwester genäht hat!«

Anni‘s lapidare Antwort klang wie Verrat. Ungerührt ging sie weiter.

Asta folgte ihr. »Ja ja schon, aber…« sie überlegte, beeilte sich, geriet

verstummend ins Schwitzen. Wie sollte sie in Worte fassen, was sie fühlte? »…

weißt du,« begann sie einen neuen Versuch, »wie deine Schwester die

verschiedenen Muster zusammengesetzt hat und dann die zwei Knöpfe unter dem

Kragen…«, sie nahm ihre beiden Hände zu Hilfe, als könnten die besser sprechen,

»Alles ist anders! Und trotzdem ist es ein Hemd!«

Anni schaute sie verdutzt an. Was sind das für Anwandlungen? Diese

glühenden Augen, dieses verklärte Gesicht! Ihre Schulfreundin wurde gelegentlich

von mysteriösen Stimmungen befallen, dann gab sie merkwürdige Sachen von sich,

die sie nicht deuten konnte. Es ihr zu sagen, hätte sie zwar nicht gewagt, aber das

kümmerte sie wenig. Asta‘s Reaktion hielt sie für übertrieben. Für Spinnerei! Das

Seltsame war diesmal nur, daß sie andauernd an ihre große Schwester denken

mußte. Die hat auch diesen Hang zum Dramatisieren! Sie dachte es, es schüttelte

sie, innerlich, als hätte sie ein Ungeheuer gegessen. Sie verabscheute Euphorie,

Übertreibungen, darauf reagierte sie schon immer allergisch. Ihr erster Impuls

rettete sie hinter eine undurchlässige Wand aus Ignoranz. Und dann: Ganz schnell

die Flucht ergreifen! Komplikationen waren ihr zuwider, das Leben sollte einfach

und unkompliziert sein! Einfach nur schön. Von einer heilen Welt träumte sie, und

instinktiv spürte sie, die ließ sich bestimmt nicht verwirklichen, indem man in

unergründliche Tiefen schweifte. Als Jüngste hat auch sie ein Recht auf eine eigene

Perspektive! - die sie dringlicher verteidigte, als sie hätte müssen. Daß ihre große

Schwester in alles, was ihr widerfuhr und was sie tat und was sie sah, Abgründe

und Himmel und Bedeutungen hineindeutelte, verurteilte sie kurzerhand als

überspannt. Man sah es ihr fast nicht an, sie war so ein nettes Kind. Doch in diesem

Punkt blieb sie hartnäckig, und ohne Gewissensbisse verständnislos. Aus ihrer

Sicht lag darin lediglich der Betrug, dem Leben einen tieferen Sinn anzudichten -

für Anni alles Hirngespinste.

Mit jedem Atemzug wurde sie größer - solcher Art Gedanken sind unbehaglich,

es interessierte sie nicht nachzuforschen, warum. Bedrohungen machten aus ihr

Stahl. Etwas zu heftig schüttelte sie den Kopf, damit die unwillkommenen Geister

aus ihrem dicken Haar elen, und bemühte sich, unbeschwert zu lachen.

Asta erschrak. Auf ihre Weise empfänglich und nicht gar so ängstlich, nahm in

den Augen der Freundin einen kalten Funken wahr, Abfälligkeit! Sie schluckte,


sagte nichts. Es gab Dinge, die sie Anni nicht erklären konnte. Manches verstand

sie halt nicht - sie dachte anders, fühlte anders, sah die Welt eben mit anderem

Blick. Aber darin war sie ja keine Ausnahme. Asta war eine Ausnahme! Wer

verstand schon, was in ihr vorging?

Das alles hat mir das Geburtstagshemd erzählt, während es neben meinem

Füßchen lag. Nur wenige Tage später lernte ich Asta kennen. Sie kam Anni

besuchen und wollte unbedingt die Nähmaschine der großen Schwester sehen.

Paulynn hätte sie natürlich auch gern gesehen, aber die war fast nie zu Hause.

Als die beiden das Zimmer betraten, blieb Asta verwundert stehen. Auch so ein

Zimmer hatte sie noch nie gesehen. Sie dachte: Hier sieht es aus wie in einem

Experimentierlabor! Sie sprach es nicht aus, stieg vorsichtig an den Stoffbergen auf

dem Boden vorbei, setzte sich auf den Stuhl vor dem Nähtisch und schaute mich

an.

»Puppenfee…!« las sie mit staunender Stimme und ließ ihre Finger über die

Wölbungen und Nischen meines Körpers gleiten. Von ihren Gedanken rührte ein

leichtes Zittern, hingegen ihre Hände fühlten mich und erzählten mir die

Fortsetzung der Geburtstagshemd-Geschichte.

…Als Asta an jenem Tag nach der Schule heimkam, eröffnete sie sogleich der

vielbeschäftigten Mutter ihre neueste Erkenntnis:

»Mama, die Anni hat eine große Schwester, die ist mein Schicksal!«

»Was?« Die Mutter, völlig unvorbereitet, riß es regelrecht herum und starrte ihr

Kind fassungslos an. Ungewöhnliche Gedankenvorgänge und Aussagen ihrer

Jüngsten war sie zwar gewöhnt, aber das hier erschien ihr doch ein wenig

beängstigend.

»Weißt du denn überhaupt, was das Schicksal ist?« fragte sie und in ihrem

Tonfall schwang bereits der Beschluß mit, daß ein so komplizierter Begriff nichts

für kleine Kinder ist.

Asta überging die Betulichkeit der Mutter wie jemand, der sich nicht mit

Nebensächlichkeiten aufhält.

»Mama, ich habe heute mein Schicksal gesehen!« sagte sie mit fester Stimme

und ließ sich von dem besorgten Blick der Mutter nicht beirren.

»Die Anni hat heute ihr Geburtstagshemd angehabt,« fuhr sie fort und sprach

jetzt wieder mit beiden Händen, »stell dir vor, ihre große Schwester hat es selber

genäht … und plötzlich hab ich gewußt: Das ist mein Schicksal!«

Die Mutter saß inzwischen auf einem Stuhl und folgte der seltsamen Rede ihrer

Tochter. Sie hatte noch zwei ältere Söhne, aber dieses Kind war ihr ein Rätsel. Daß

es mit besonderen Gaben bestückt sein könnte, kam ihr nicht in den Sinn. Für sie

existierten keine Zwischenwelten, und diejenigen, die davon redeten, stellte sie im


Geiste zu den Verrückten in die Anstalt. Daß ihre Tochter zu jenen zählen könnte,

würde sie niemals zulassen, nicht mit einem Gedanken.

Ungeachtet dessen, daß das Kind gerade bemüht war, sein Schicksal zu erklären,

stand die Mutter mit einem Ruck auf und stählte jede Zelle mit dem Vorsatz, ihr

Kind ein Kind sein zu lassen, das ganz kindesgemäß zu viel Phantasie besitzt und

das man am besten nicht ernst nimmt. Das Essen auf dem Herd el ihr wieder ein,

sie sprang auf und lief zum Herd. Asta rief ihr hinterher: »Mama, es war wie ich es

sage. Auf einmal hab ich es ganz genau gewußt: Das ist mein Schicksal!«

»Ja, mein Schatz! Komm jetzt zum Essen!« antwortete die Mutter, ohne sich

dabei umzudrehen. Längst in der Welt der Kochtöpfe untergetaucht, konnte sie

nicht ahnen, daß sie die Worte ihres Kindes niemals vergessen sollte.



 

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