EinesTages Skript Story
- Sylvie Bantle
- 21. März
- 4 Min. Lesezeit

Denkstudien…
‘Eines Tages…‘
Der Kurz lm, 3 Minuten.
Kameraposition 1 - (unterhalb d. Treppenabsatz vor der Gartentür mit Blick zur
Wohnungstür)
Eine Frau im mittleren Alter tritt mit dem Abfalleimer in der Hand aus der
Wohnungstür in das Treppenhaus, springt fast die 3 Stufen hinunter…
- Schnitt! -
Kameraposition 2 - (gleiche Position wie 1 aber mit Blickrichtung zur Gartentür)
sie öffnet die Haustür, die zum Garten führt, geht hinaus…
- Schnitt! -
Kameraposition 3 - (auf der Wiese vor der Mülltonnentür mit diagonalem Blick zum
Buschwerk, rechts im Bild die Mülltonnentür)
sie geht an den grünen Bäumen und Büschen vorbei, auf eine große Tür zu, die sie
öffnet, sie betritt das dunkle Innere…
- Schnitt! -
Kameraposition 4 - (genau in der Mülltonnentür mit Blick hinein)
sie geht bis zum Ende des gunklen langen Gangs, man sie nur schemenhaft ihre
Umrisse, man hört aber überdeutlich ihren otten Schritt, dann wie sie stehen bleibt, den
Deckel des Müllkontainers anhebt, ihren Mülleimer darin ausleert, den Deckel wieder
schließt, und wenn sie nun zurückkommt, verändert sich ihr Schritt, langsam, schlurfend
schwerfällig, bewegt sie sich mit dem Gangwerk einer alten Frau, einer Greisin, auf die
Kamera zu, ihre Haltung gebückt und wankend, doch je mehr sie sich dem Hellen nähert,
desto jünger wird ihr Schritt und auch aufrechter ihre Haltung…
- Schnitt! -
Kameraposition wie 3
als sie durch die Tür in den Garten heraustritt, ist sie diesselbe, die sie war, als sie
zuvor hineinging, nur die Bäume und Büsche haben sich verändert, es ist Herbst
geworden, etwas verwundert und etwas langsamer geht sie an ihnen vorbei zurück zu
Haustür…
- Schnitt! -
Kameraposition 5 (oberhalb des Treppenabsatzes mit Blick hinunter zur Gartentür)
man sieht sie hereinkommen, scheinbar nachdenklich schließt sie die Tür hinter sich,
dreht sich langsam um zur Kamera, dort, wo auch ihre Wohnungstür ist, geht die Stufen
hinauf, den Blick auf die Kamera gerichtet, kommt näher, bis ihr rechtes Auge die ganze
Linse bedeckt… und das Bild hier stehen bleibt.
Abspann etc.
‘Eines Tages…‘
Die Geschichte, 3 Seiten.
Eines Tages geschah es beim Müllwegbringen, daß in dem Moment, als ich den
schweren Müllkontainerdeckel anhob, mich plötzlich die Stimmung be el, ich sei 80 Jahre alt und immer noch Mieterin dieses Hauses.
Dazu muß ich einfügen, daß ich mein Leben davon träumte auszuwandern. Nein, ich
träumte nicht nur davon, ich war regelrecht davon besessen, nur dies könnte meine
Bestimmung sein, wie Tanja Blixen in exotischen Breitengraden eine Farm zu besitzen. Im
Laufe der Jahre und nachdem mir jeder Astrologe und jedes Medium versicherte, die
Farmbesitzerin in fernen Ländern sei nicht als Hauptaufgabe in meinen Sternen
verzeichnet, weil: es gäbe ‘Wichtiges‘ für mich in deutschen Landen zu tun, schmolz die
Farm von etlichen Hektars auf ein kleines Stück Land mit einem großen Haus unter
schattenspendenden Kokosnußpalmen…
Bevor ich die kleine, kalte, dunkle Erdeschoßwohnung in deutschen Landen bezog,
war ich eine Vagabundin. Ich bereiste die ganze Welt und 3 Jahre waren die längste Zeit,
die ich in der gleichen Wohnung lebte. Die kürzeste Zeit waren 6 Monate. In diesem
Mietshaus aber, in dem mich beim Müllwegbringen die plötzliche Eiinsicht traf, wohnte
ich schon 15 Jahre. Das ist ein Rekord, der auch nicht von den Wohnzeiten in der Kindheit
übertroffen wird. Dabei hat sich das mehr so ergeben, nie hatte ich beschlossen: Hier
bleibe ich 15 Jahre!
Noch weniger hatte mich der Gedanke erreicht, ich würde 50 Jahre hier leben… gar bis
zum Tod im hohen Alter! Doch jetzt, als ich den schweren Metalldeckel hob, allein mit all
diesen - seit 15 Jahren - vertrauten Geräuschen, immer wenn ich den Müll wegbringe, da
wurde die Vorstellung, ich sei 80 Jahre alt, Wirklichkeit. 50 Jahre lang habe ich meinen
Müll in diese Mülltonne geleert, 50 Jahre haben die dazu gehörenden Geräusche eine
spezi sche Komposition in meine Zellen geprägt! Die Schlußfolgerung erübrigt sich, daß
sich diese Mülltonnensynfonie in meinem Leben noch einmal ändern wird. Hier werde ich
bis zu meinem Tod leben! Ich hatte das Haus, die Wohnung und den Garten immer
gemocht, aber es war nie mein Traumhaus gewesen. Ich träumte von Wärme und
lichtdurch uteten Räumen, von einem weiten Ausblick über Hügel und Grün und dem
Wissen, daß dort am Horizont das Meer ist. Ich wünschte mir ein großes Haus, denn ich
wollte Menschen um mich scharen, zum Reden und Diskutieren, Malen und Meditieren,
Schreiben und Träumen…
Egal ob es dieses geträumte Haus irgendwo gibt, wenn ich 80 bin, jedenfalls bin ich
immer noch hier, in der Wendl-Dietrich-Straße Nummer 14. Der 14. ist mein
Hochzeitstag… Vielleicht liegt es daran?
Der Eindruck meiner 80-Jahrigkeit war gewaltig, real. Es war einfach so! Daß dennoch
alles gut war, wäre zu banal. Aber es traf mich kein Schock, kein Schauder überkam mich.
Eher war ich überrascht. Hier warf ich also noch mit 80 Jahren meinen Müll in diese
Tonne… Die 80-Jährige blickte auf ihr Leben voller Auswanderungspläne und wilder
Träume zurück und sieht es mit einem Schmunzeln, denn heute weiß sie ja, daß die Götter ihr eine andere Hauptaufgabe zugestellt hatten.
So klingt das Schlurfen der alten Frau friedlich…
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