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Kosmos

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 21. März
  • 2 Min. Lesezeit

Beim Kosmos bestellt


»Das ist der Vogelmaler,« sagt Kabul-Gabi, «der

hat für fünfhundert Mark im Monat ein ganz

schnuckeliges Häuschen bei Tölz gefunden … da

kommen die Rehe bis zum Haus, der nächste

Nachbar ist nur in Sichtweite und über das zehn-

tausend Quadratmeter-Grundstück ießt ein

kleiner Bach…«

Mandi bleibt der Mund offen vor Staunen und

fragt dann: »Wie hat er das gefunden?«

»Beim Kosmos bestellt!« antwortet Gabi mit ei-

nem selbstverständlichen Tonfall.

»Beim Kosmos bestellt?« fragt Mandi und ist

völlig verwirrt, weil sie nicht weiß, ob es an ihrer

Begriffstutzigkeit liegt oder daran, daß sie ir-

gendeine neue Konsumart nicht mitbekommen

hat. Sie hat das schon öfter erlebt; denn zum ei-

nen lebt sie sehr zurückgezogen und zum ande-

ren verbringt sie oft mehrere Monate in Indien

oder Afrika und wenn sie dann zurückkommt

gibt es meist irgendetwas, was es zuvor noch

nicht gegeben hatte. Aber dieses neue Etwas hat

sich in der kurzen Zeit so integriert, daß die gan-

ze Gesellschaft so tut, als gäbe es schon immer.

Und wer es nicht kennt, der wird angeschaut als

käme er vom Mond.

»Beim Kosmos bestellt!« antwortet Kabul-Gabi

und betont die Selbstverständlichkeit dieser Tat-

sache.


»Beim Kosmos…« murmelt Mandi und stellt

sich unwillkürlich eine Art Otto-Versand mit dem

Namen Kosmos vor, wo man sich eben nicht nur

Klamotten und Accessoires bestellen konnte,

sondern sein Traumhaus zum Schleuderpreis.

Kabul-Gabi merkte, daß Mandi scheinbar nur

Bahnhof verstand. »Sag mal, hast du noch nie

was von Bestellungen beim Kosmos gehört?

Kosmos wie Universum!«

Natürlich weiß Mandi nichts davon, sie kriegt

vieles nicht mit, was gerade in Mode und aus der

Mode kommt. Sie macht ihre eigene. Für kurzle-

bige Trends vergeudet sie keine Energie. Man

muß sie schon mit der Nase draufstupfen.

Jetzt will sie die Geschichte wissen.

»Im Januar hat der Vogelmaler beim Kosmos

ein Häuschen auf dem Land bestellt und hat ge-

nau gesagt wie er es haben will: Es sollte in der

Natur sein, der Nachbar weit weg, nur in Sicht-

weite, und die Miete zu einem anständigen Preis.

Und er hat noch gesagt, wann er das haben will:

nach einem halben Jahr! Im Juli schlägt sein

Freund die Kurz&Fündig auf und liest die Anzei-

ge … und obwohl es noch fünfzig andere Ber-

werber gab, hat der Tölzer Bauer gemeint, sie sei-

en ihm am sympathischsten…«

Mandi hört sich mit zwiespältiger Faszination

diese Geschichte an und Kabul-Gabi leiht ihr das

Buch ‘Bestellungen beim Kosmos‘, wo alles dar-

über drinsteht.


»Es ist witzig zu lesen!« lacht sie, sie verab-

schieden sich.

Bereits im Fahrstuhl überlegt sich Mandi, was

sie sich Großes beim Kosmos bestellen sollte. Als

sie die Geschichte von dem Schnuckelhäuschen

auf dem Land hörte, hatte sie im ersten Moment

den Impuls ‘Ich auch!‘, aber jetzt will sie sich

doch etwas anderes wünschen. Natur ist für sie

inzwischen auch das Wichtigste, jedoch träumt

sie davon in einem warmen Land. Aber nur wo?

In Indien oder in Italien? Manchmal verlockt sie

Argentinien, obwohl sie noch nie dort war.

Plötzlich ist sie verunsichert, ob es schon an der

Zeit dafür sei…

Vorher hat sie noch anderes zu tun…

Wie nur könnte sie ihren Wunsch formulieren?



 

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