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Niemandland

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 25. März
  • 2 Min. Lesezeit

Das Land ist krank. Die Welt ist krank…

Unser Land ist schon lange krank und hat es nicht gemerkt.

Als vor vielen Jahren hier die schrecklichen Dinge geschahen, hat es mit dieser

Krankheit angefangen…

Nein, nein, das Trauma hat viel früher seinen Ursprung! Scheiterhaufen für Menschen

und Bücher hat es oft gegeben, und die letzten liegen bloß schon so weit zurück, dass man

sich heute nicht mehr damit in Verbindung bringt.

Trotzdem ist jeder gezeichnet davon, die Vergangenheit hat sich jedem einverleibt, bis

in jede Zelle hinein und in die DNS eingeschrieben. Das genisierte Trauma hat sich dann

auf Kinder und Kindeskinder vererbt…

Und keiner hat es gemerkt!

Keiner wollte es merken.

Ja…

So ist es auch mir ergangen…

Auch ich habe nicht bemerkt, dass ich das Trauma nicht einmal wahrhaben will.

Ich dachte: Was hat das mit mir zu tun? Bin ja erst 10 Jahre nach dem Schrecken

geboren! Dachte, soll ich mich etwa schuldig fühlen, weil meine spießigen Eltern in jener

Zeit aufgewachsen sind? Sogar sie waren ja noch Kinder. Die Hitlerjugend fanden sie

wunderbar, das war normal. Da waren doch alle dabei!

Nein, geredet haben wir darüber kaum. Eigentlich nicht… und wenn, auf keinen Fall

so, wie ich zufrieden gewesen wäre. Was mich zufrieden gestellt hätte, weiß ich auch

nicht. Niemanden traf ich, der damit irgendetwas zu tun hatte! Niemanden! Weder

Großeltern noch Eltern noch Tanten, Onkel. Ich begegnete nur armen unschuldigen

Opfern!

Okey, unter den wirklich ganz Bösen war sicherlich keiner aus unserer Sippe, alle

waren arm. Und bekanntlich hatten die Bösen ja ganz schön abgesahnt! Selbst als ich

schon über diese Erde krabbelte, wurde ständig jeder Pfennig umgedreht – andere hatten

viel mehr.

Anyway, nicht vom Thema abtriften! Trauma!

Schlafendes Trauma! Ein ganzes Land hat nichts gemerkt, hat nichts damit zu tun, was

in diesem Land geschah! Niemand! Und trotzdem: Eine ganze Nation will vergessen, will


längst vergessen haben – und kann es nicht. Die gesamte Bevölkerung fühlt sich nicht

betroffen! Das ist die Krankheit von Niemand-Land.

Dann, als ich an ng zu denken, habe ich gesehen, wie das geht. Die alltägliche Gewalt

– man nannte dies ‘Erziehung‘ – hat niemanden gestört außer die Opfer, meist Kinder. Wo

sollten die sich beschweren? Der Opa hatte den Vater geschlagen, als er noch ein Junge

war, während die Oma stumm litt, dann schlug der Vater, als er erwachsen war, sein Kind,

während die Mutter stumm litt; war der Vater bei der Arbeit, schlug die Mutter das Kind,

war die Mutter beim Einkaufen, schlug das Kind das jüngere Geschwisterchen…

Niemand hatte protestiert, niemand hat sich aufgelehnt und laut gesprochen: So geht

das nicht! Das ist ein Verbechen! Niemand… Nicht in unserer Sippe, und nicht, so weit ich

blicken kann, überall gingen nur Unschuldige herum.



 

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