top of page
Suche

Schiffe versenken contra Raucherlaubnis

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 25. März
  • 10 Min. Lesezeit

Wacht auf, Leute, bevor es zu spät ist! Schaut genau hin! … schaut

euch selbst an! Ja, untersucht euer eigenes Leben! Ich werde jetzt laut

sagen, was mich plagt, was sprechen will, zu euch – das Risiko, dass ihr

mich dafür hassen oder auslachen werdet, schreckt mich nicht. Es gibt

Wichtigeres als meine kleine Bangigkeit. Ich werde nicht zu jenen gehö-

ren, die sich später vor Reue und Scham in den Arsch beißen oder in den

Boden versinken, weil sie geschwiegen haben, als noch Zeit war, die Viel-

falt zu retten. Schmäht mich nur, es tut mir nichts, doch bitte wacht auf,

wacht schnell auf, wenn ihr leben wollt. Das Leben verlangt nämlich einen

Preis von uns: Die Vielfalt vor der Vernichtung zu schützen! Leute, horcht

genau hin, prüft mit Herz und Verstand, was man euch auftischt. Die Mo-

nokultur trügt mit ihren scheinbaren Rentabilitäten und verschweigt ele-

gant die langfristigen Schäden, lockt und belügt euch mit Versprechun-

gen, eine glückliche Welt zu erschaffen … Lasst Euch nicht verarschen,

Leute – macht die Augen auf und merkt es endlich! Die Monokultur ist der

Feind des Lebens, ist bloß ein Symptom der Gier. Wenn ihr leben wollt,

macht euch die Vielfalt zur Mutter, beendet das Bekriegen, Betrügen,

Kontrollieren, Diskriminieren … fangt an zu lieben, schaut hin, wenn ihr

Anderen Schaden und Verletzungen zufügt, reißt die Grenzen und die

Wände zwischen euch nieder und umarmt euch! Besinnt euch eurer zu-

tiefst verborgenen Sehnsucht nach Verbindung. Und hört bitte ganz

schnell mit diesem Unsinn auf zu diskutieren, ob einige unter euch in ver-

schwiegenen Ecken und in ihren Wohnungen eine Zigarette rauchen dür-

fen oder nicht – das ist wirklich nicht unser vorrangiges Problem! Eure

Blindheit rückt es in den Mittelpunkt. Wenn unsere Welt einstürzt, dann

gewiss nicht wegen der Raucher. Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun. Denkt

darüber nach. Wo soll das noch hinführen? Irgendwann sind wir von Vor-

gaben eingezäunt, ob und wem wie viel zu furzen genehmigt ist. Besinnt

euch eures Verstandes! Es muss damit aufhören, dass intelligente Men-


schen, hoch dekoriert mit Titeln, ihren Rang missbrauchen und behaup-

ten, das Rauchen von Tabak stünde in der Liste aller Schädlichkeiten auf

Nummer Eins. Unterzieht euch einer realistischen Bestandsaufnahme

und schaut gemeinsam hin. Oben in den Charts rangieren andere Dinge.

Macht euch die Mühe und habt den Mut zum persönlichen Schädlichkeits-

Check, listet auf, was ihr täglich alles verkonsumiert und wegschmeißt,

um wieder etwas Neues zum baldigen Wegwerfen konsumieren zu kön-

nen, macht euch bewusst, wie viele Schädlichkeiten ihr allein durch eure

individuellen Ansprüche jeden Tag verursacht, welchen Mengen Fein-

staub, Abgasen, Kontaminationen in Luft, Nahrungsmitteln und Wasser ihr

ahnungslos eure Körper aussetzt, ob in Kleidern, ob in Möbeln, Kissen,

Cremes und Lotions und so weiter. Weil ihr nicht bescheid wisst, nehmt

ihr Gifte in noch größerem Ausmaß als Tabakrauch hin. Weil ihr nicht be-

scheid wisst, führt ihr Krieg gegen euren Nachbarn, der auf seinem Bal-

kon eine Zigarette nach dem Essen raucht. Er ist gewiss lebendiger als

ihr – er genießt. Und bitte keine Ausflüchte, hier ist nicht von Süchtigen

die Rede. Das wäre eine andere Liste, Süchtige gibt es überall, schaut

euch doch um – machtsüchtig, geldsüchtig, fressüchtig, tablettensüchtig,

streitsüchtig, betrugsüchtig, rachsüchtig, spielsüchtig, kaufsüchtig, heile-

weltsüchtig … Leute, benutzt euren Verstand und euer Herz! Bedenkt au-

ßerdem den Preis hinter den Münzen, die für die begehrten Güter zu be-

zahlen sind, bedenkt wie viele niedrigst entlohnte Arbeiter bei der Herstel-

lung eurer Wünsche erkranken oder gar ihr Leben lassen. Habt Mut und

stellt euch den Fakten – legt sie gerecht nebeneinander! Erinnert euch

der demokratischen Ordnung: Jeder hat eine Stimme! Jeder! ‘Entweder

oder‘ folgt nicht demokratischer Gesinnung. ‘Sowohl als auch‘ ist demo-

kratisch – jeder hat ein Recht. Das Zuviel und Zuwenig muss untereinan-

der abgestimmt und ausgeglichen werden. Denn diejenigen, die ab und

zu rauchen, atmen zudem vierundzwanzig Stunden lang die von allen

produzierten chemischen Umweltgifte. Ja, auch ihr seid Produzenten von

gesundheitsschädigenden Substanzen – weil ihr so viel konsumiert. Seid

gerecht, wir sind eine Gemeinschaft! Jeder hat eine Stimme. Und bitte


kein langes Zaudern, Scheitern und Irren endlich zu bekennen und

schleunigst anzuhalten …

Dieses Antirauchtheater ist ein tragikomisches Stück – seht ihr es

nicht? In diesem tragikomischen Stück befinden wir uns auf einem ele-

ganten Ozeandampfer, der im Begriffe ist zu sinken. Ich weiß, über Schif-

fe zu reden ist heute politisch unkorrekt, aber es gab Zeiten, da fuhren sie

über die Meere. Vieles hat sich schon einmal abgespielt und wird sich

leicht abgewandelt wiederholen, bis es begriffen und nicht mehr notwen-

dig ist … Also stelle ich mir dieses tragikomische Stück auf einem Luxus-

liner vor. Die Maschinisten haben längst ein erhebliches Leck vermeldet –

die Nachricht wurde dem Kapitän absolut vertraulich zugetragen. Der re-

agiert sogleich, bedient sich jedoch nicht der klugen Einsicht, den Scha-

den umgehend zu beheben, sondern folgt dem Instinkt des Mächtigen.

Seine Sucht – nach Macht und Profit – ist gefährlicher als der Zigaretten-

rauch des Nachbarn. Flink kalkuliert er im Kopf durch, welches seine Vor-

teile und welches die Nachteile der anderen sind, streicht die Vorteile auf

seine Haben-Seite und die Nachteile auf das Konto von Passagieren und

niedrigen Mitglieder der Schiffsmannschaft. Vorerst bedeutet das Leck le-

diglich, man würde nicht so schnell voran kommen, also den Zeitplan

nicht exakt einhalten und die verschiedenen Stationen der Sehenswür-

digkeiten nicht termingerecht erreichen können. Die Unannehmlichkeiten

würden allerdings nur allmählich zum Vorschein treten, was sehr günstig

war – so könnten sich alle langsam an die veränderte Ordnung gewöh-

nen. In seinen Berechnungen denkt der Kapitän weit voraus, er weiß, um

Frustrationen unter den Passagieren vorzubeugen, muss ein Sündenbock

her. An ihm kann die vornehme Gesellschaft Frust und Unmut auslassen,

hat somit dann keine Kapazitäten mehr für störendes Gedankengut, das

dem Plan des Kapitäns behinderlich wäre. Geistesgegenwärtig hält er

eine Ansprache über die gesundheitsschädigende Wirkung von Tabak-

rauch – die bevorstehenden Gefahren eines Lecks im Rumpf verschweigt

er kühn. Geschickt lenkt er den Schaden der Nichtraucher in den Mittel-

punkt und erklärt sehr überzeugend, wie diese nämlich zu Opfern werden,


durch das Rauchen anderer zum passiven Mitrauchen gezwungen. Er

rechnet bereits in Jahren vor, wie viel Lebenszeit den Unschuldigen da-

durch geraubt würde, und nennt Zahlen, die weder einer nachprüfen kann

noch so einfach zu erstellen sind. Er will sie anspitzen, die Nichtraucher,

damit sie sich fundamentalisieren und süchtig werden, die Raucher zu

hassen. Je mehr sich die Passagiere in ihren Aufruhr verzahnen, desto

unbehelligter kann er hinter ihren Rücken seine eigennützigen Ziele anvi-

sieren – er will sich retten! Still und heimlich mit seiner Elite-Crew, denn

Tatsache ist, dass Rettung nicht für alle möglich wird. Zum Abschluss sei-

ner täuschend echten Ansprache verhängt der Kapitän ein Rauchverbot

über den Großteil des Schiffes mit Ausnahme des Kaminzimmers neben

der Bar. Seine Strategie der Irreführung funktioniert wie geschmiert. Die

Nichtraucher nun schön angeheizt jubeln ekstatisch, fühlen sich mit ei-

nem Mal ernst genommen und wichtig. Die Raucher freilich schieben jetzt

Frust – für jede Zigarette, Pfeife oder Zigarre müssen sie fortan das hoch

frequentierte Kaminzimmer aufsuchen. Wegen des Andrangs qualmt und

stinkt es dort dermaßen, dass selbst einem Raucher die Luft dort zu dick

und das Rauchen kein Genuss mehr ist. Die Situation kocht sich hoch,

immer lauter und unerbittlicher wird debattiert. Die Nichtraucher sind nun

gierig geworden, beharren auf ihr Recht, ebenso im Kaminzimmer zu sit-

zen und sich am Kaminfeuer zu erquicken. Das aber verdirbt ihnen die

Freude angesichts der neuen Erkenntnis über die Schädlichkeit von Ta-

bakrauch und sie schreien laut los. Der Kapitän spielt seine Rolle perfekt.

Verständnisvoll nickend widmet er sich endlosen Versammlungen mit all

den Klägern und Leidtragenden auf beiden Seiten. Seine Geduld ist be-

eindruckend, während die Debatten sich pausenlos im Kreise drehen, ob

nun im Kaminzimmer neben der Bar die Raucher zu ihrem Glas Champa-

gner eine Pfeife, eine Zigarre oder eine Zigarette rauchen dürfen oder

eben nirgendwo, weder in ihren Privatkabinen noch auf dem Klo noch

draußen im Freien an der Reling – durch die Belüftungsschächte könnten

wiederum Reste von Tabakrauch in die rauchfreien Räumlichkeiten ge-

langen. Die Nichtraucher sind mittlerweile dermaßen hysterisch, dass sie


schon bei ein paar Tabakrauchmolekülen aggressiv reagieren. Aufge-

bracht jedoch sind alle Passagiere, denn alle haben für diese Fahrt einen

teuren Preis bezahlt – jeder will auf seine Kosten kommen und auf seine

Freuden und Vergnügen. Die einen fordern Gerechtigkeit, die andern

Rücksicht auf ihre Gesundheit, man beruft sich auf Demokratie oder dem

Recht auf reine Atemluft und so weiter. Man fällt sich ins Wort und be-

schimpft sich und einigt sich schließlich auf eine Abstimmung. Inzwischen

sind die Passagiere in drei kompromisslose Lager gespalten, die Rau-

cher, die fundamentalen Nichtraucher und jene Nichtraucher, denen das

alles egal ist. Sie wollen sich nicht einmischen und unnötig strapazieren,

denn, so argumentieren sie, zu neunzig Prozent aller Bereiche auf dem

Schiff bestehe ja ohnehin ein Rauchverbot. Es wäre also genügend Platz

vorhanden, den Rauchern aus dem Weg zu gehen. Zudem finden sie es

eher ungerecht, da ein Drittel der Passagiere aus Rauchern besteht –

zwei Drittel Nichtraucher bekommen also neunzig Prozent zugesprochen.

Aber die fundamentalen Nichtraucher pochen nun auf ein absolutes

Rauchverbot zum Schutze ihrer Gesundheit, verfallen in einen Reinheits-

wahn in ihren oft gewechselten synthetischen Klamotten. Nirgendwo wol-

len sie auch nur ein einziges Atom Tabakrauch inhalieren müssen. Nur

der Rauch von Tabak wird zur Oberschädlichkeit deklariert, bei so viel

Lärm geht der Überblick vollends verloren. Gerade diejenigen, die Meister

im Konsumieren sind, schreien besonders laut, projizieren ihre eigene un-

reflektierte Alles-Haben-Müssen-Sucht auf die Gesamtheit aller Raucher.

Niemand thematisiert ihr fragliches Tätigsein, ständig etwas Neues haben

zu müssen, egal ob Kleidung, Mobiliar, Kosmetik, Auto und was der Markt

so bietet. Es waren andere Zeiten damals, als noch ahnungslose Schiffe

über die Meere fuhren, man konnte sich nehmen, was man wollte ohne

nachzudenken. In der Wohnküche ein Parkettboden aus seltenen Hölzern

sterbender, exotischer Wälder von fernen Kontinenten – her damit, egal

die Mühen und Kosten. In den Katalogen waren keine Konsequenzen der

Extravaganz aufgelistet – Umweltverschmutzung durch Transport oder

Schädlichkeiten der Holzverarbeitung durch Lacke, Klebstoffe, Lösungs-


mittel, Pestizide. Sturz des Klimas und Zerstörung des Planeten durch

Abholzung lebensnotwendigen Baumbestands für nimmersatte Wün-

sche? Damals unterschied sich die Haltung von heute kaum, damals wie

heute geht es den gleichen Gang. Man ist zu beschäftigt mit den Dingen,

die man haben muss, um sich gut zu fühlen. Schon bald ist eine neue Op-

tik top, weg mit dem kostspieligen Parkettboden und begierig das nächste

schicke, exotische Holz erstanden. Mit den Klamotten geht es noch

schneller, täglich Lust zu wechseln und jede Woche etwas Neues – es ist

ja so billig. Wer will schon die Giftigkeiten der Inhaltstoffe in den Materiali-

en kennen – das neue Teil sieht doch so super aus. Außerdem, wer sagt

es einem? Anstrengungen müsste man auf sich nehmen, um diesbezüg-

lich überhaupt bescheid zu wissen. Genauso flugs erblindet der Verstand

vor Giften in den Nahrungsmitteln, ganz zu schweigen von der Belastung

für Mensch und Natur wegen der übereifrigen Produktion solch enormen

Hungers – ach was, um im kommerziellen Wettbewerb mit den niedrigs-

ten Preisen zu glänzen. Obwohl das Trinkwasser jährlich knapper wird

und man schon makaber scherzt, irgendwann werde man sich noch die

Köpfe einschlagen deswegen – hahaha! –, geht das Wetteifern weiter,

den Überfluss voran zu treiben, um die Gewinne kontinuierlich zu stei-

gern. Die Gewinner füllen ihre Kassen, denn die Verbraucher lassen sich

leicht verführen und fressen brav, was man ihnen hin hält. Versiegen die

Ressourcen, offeriert man trickreich verpackt auch Müll, man will an den

Fressern noch reicher werden, sonst nichts. Und sie, diese verblendeten

Verbraucher, denken nicht an irgendwelche Folgen. Übergewicht bei

gleichzeitiger Mangelerscheinung, Verdumm- und -blödung, Krankheit

und Tod – wozu sich kümmern? Für alles gibt es Medikamente stündlich

neu erfunden. An jeder Ecke lockt eine Schnäppchenfalle – ein schickes

Herrenhemd für den Preis von einem Laib Brot! Her damit! Haben, haben!

Haben und denken, das geht nicht zusammen, habenwollenmüssen ver-

hindert weiter zu denken – zum Beispiel, wie ein so lumpiger Preis zu rea-

lisieren ist. Welche Hände haben das Hemd genäht und zu welchen Kon-

ditionen? Denn reich werden ausschließlich Bosse und Händler. Nein,


bloß nicht denken! Schnell sich ablenken und Depressionen mit bunten

Drinks und Pillen prophylaktisch vorbeugen. Bloß nicht wissen, was die

Bedingungen jener Menschen sind, damit sie lediglich das Nötigste zum

Fressen bekommen. Zum Glück leben sie weit weg von uns und unserem

Wohlstand, so begegnet man ihnen nicht …

Bleibt nun die Frage, warum der Kapitän mit den Passagieren über so

viel Banales und Nebensächliches diskutiert, anstatt das eigentliche Pro-

blem in den Mittelpunkt zu rücken. Er könnte ein Machtwort sprechen, die

Macht hat er, und die Fakten der nackten Realität darlegen, dass nämlich

ein Leck im Rumpf das Schiff zum Sinken bringt, wenn es nicht schnells-

tens gestopft wird, dass dann die meisten ertrinken müssen, da nicht ge-

nügend Rettungsboote vorhanden sind, dass also der Großteil der Pas-

sagiere in Kürze sterben wird, jedoch nicht wegen versehentlichen passi-

ven Inhalationen von Tabakrauch, sondern weil sie nur wegen Rau-

chendürfen oder nicht debattieren, weil niemand auf die Idee kommt und

dem Kapitän auf die Schliche, dass alles eine Masche ist, ein ablenken-

des Manöver, weil in Wahrheit das Schiff ein Loch hat und sinken wird,

weil der Kapitän samt der Schiffsgesellschaft in die eigenen Taschen spa-

ren wollten und daher nicht ausreichend Rettungsboote vorhanden sind

… Das alles verschweigt der Kapitän und befasst sich stattdessen mit

dem Rauchverbot im Kaminzimmer. Kamin! Was für eine Ironie – zur rei-

nen Augenweide wertvolles Holz verbrennen! Kaminfeuer besitzt keinen

Heizfunktion. Bloß nicht denken, es ist doch so gemütlich. Auch der Ge-

ruch von Rauch stört hier keineswegs, denn die Nase weiß: Das ist der

Rauch des Kaminfeuers! Ein offener Kamin! Ach wie schön! Die Iddee

entsteht, im eigenen Wohnzimmer auch so etwas zu haben. Weil die

Nase weiß: Das ist der Rauch des Kaminfeuers! stört es sie nicht. Es ist

der Tabakrauch, den die Nase verweigert. Dass der Wind manchmal den

Qualm aus dem Schornstein des Luxusdampfers in die Swimmingpool-

Anlage des Upperdecks drückt, stört ebenso wenig, denn so viel begreift

man: Das ist bloß der Rauch vom Schiffsmotor, der uns ermöglicht, über

den weiten Ozean zu schippern! Das atmen wir gerne! Nun, was ist der


wahre Grund, dass der Kapitän kein Wörtchen über die bevorstehenden

Gefahren erwähnt, obwohl ihn seine Offiziere stündlich über den Stand

des sinkenden Schiffes in geheimer Nervosität informieren? Er ist heilfroh

über den Tumult wegen der bevorstehenden Abstimmung über ein abso-

lutes Rauchverbot. Seine Strategie ist sehr simpel, so lange die Passa-

giere beschäftigt sind, merken sie nicht, was wirklich los ist. Doch warum

lässt er nicht das Leck stopfen? Warum sollte er! Den Verlust zahlt die

Versicherung. Und für sein Überleben hat er vorgesorgt. Für ihn und sei-

ne Elite-Crew wird bereits das luxuriöse Rettungsboot hinten im Heck zu

Wasser gelassen, dorthin kommen keine Passagiere. Die drängeln stets

nach vorn, dank der raffinierten Marketing-PR. Der Preis der Kabinen

nämlich steigt, je näher sie am Bug liegen. Man muss nur wissen, wie sie

alle ticken, damit die Täuschung greift, jeder will, was alle haben wollen.

Das ist der Vorteil für den Kapitän. Während das Schiff weiterhin gerade-

aus in Bugrichtung fährt, werden er und seine Offiziere im rechten Mo-

ment sich klammheimlich nach hinten begeben und sich unbemerkt aus

der Verantwortung stehlen. Perfekt, dass die Passagiere sich heißblütig

verwickeln in unsinnige Antirauchaktionen und daher nichts mitkriegen. Im

luxuriösen Rettungsboot wartet der Champagner schon gekühlt auf die

clevere Elite, damit sie nichts zu mäkeln hat und es ihnen an nichts fehlen

möge …

Plötzliches Nießen riss den Faden ab, nur ein Mal, doch heftig genug,

um Flora aus dem Denk-Karussell zu schleudern. Endlich entkam sie die-

ser absurden Geschichte, Szenen einer Zeit, die vor oder hinter der Ge-

genwart lag. Verwirrt schüttelte sie die Bilderwucht ab – bloß weg von

dort. Genauso wie der Kapitän mit seinem Luxusrettungsboot! dachte sie

noch und streckte sich. Weg von diesem sinnlosen Kreiseln, fühlen, was

da ist, der Himmel, das Meer, die Wale, Camill und T.P.Carli neben ihr …

(da muss natürlich noch ein anderer Schluss her)



 

Comentarios

Obtuvo 0 de 5 estrellas.
Aún no hay calificaciones

Agrega una calificación
© Copyright @ Syvie Bantle
bottom of page